Gegen Mittag konnten wir uns von unserem gemütlichen Plätzchen am Schwimmteich des Fährhauses Hodorf trennen und machten uns auf, die letzten gut 40 Kilometer zur Nordsee hinter uns zu bringen.
Als ersten Stopp an der See hatten wir Friedrichskoog auserwählt, zum einen ragt diese Landnase etwas ins Meer, was freie Sicht versprach, zum zweiten hatte der Herr des rollenden Hauses auf den Internetkarten eine Stelle nahe am Deich ausgemacht, an der vielleicht freies Stehen fast direkt am Meer möglich sein könnte.
Die Strecke, die für den normalen PKW-Lenker nach einer guten halben Stunde Entfernung klingt, erfreute uns etwas über zwei Stunden mit teils abenteuerlich engen und etwas löchrigen Ortsdurchfahrten und Walddurchquerungen. Da wir bewusst auf Schnellstraßen und Autobahnen verzichtet hatten, um in Ruhe viel von der Umgebung zu sehen, war das nicht sehr überraschend, dennoch immer wieder spannend.
Das Wetter zeigte sich nicht von der hübschesten Seite, teilweise kämpften wir noch zusätzlich mit heftigen Schauern. Pünktlich zur Ankunft in Friedrichskoog hatte sich der Wettergott aber so weit beruhigt, dass nur noch heftiger Wind die Wolken übers Land trieb, der Regen hatte sich ins Landesinnere verzogen.
Der ursprünglich ausgesuchte Übernachtungsplatz entpuppte sich leider als nicht zugänglich und lag hinter eine Absperrung, die den Deich vor unbefugtem Befahren schützen soll.
Da Friedrichskoog, genauer gesagt Friedrichskoog-Spitze touristisch sehr gut erschlossen ist (bei schönem Wetter sicher auch sehr gut frequentiert, vielleicht auch überlaufen…), war schnelll klar, dass wir hier wohl kein Übernachtungsplätzchen finden würden, wo sich niemand an ein paar wild campenden Besuchern stören würde.
So entschieden wir uns, dem direkt am Deich gelegenen Campingplatz einen Besuch abzustatten. „Camping Swienskopp“ ist eher ein einfach gehaltener Vertreter seine Spezies, ohne Wellnesstempel und Sternegastronomie. Dass er zudem höchstens zu einem Drittel gefüllt war, machte uns die Sache noch ein wenig sympatischer.
Ein Platz in der hintersten Ecke mit der Hoffnung auf Ruhe war schnell gefunden und wir machten uns direkt auf den Weg, die hinter dem Deich versteckte Nordsee zu begutachten.
Da wir offensichtlich die Tiefwasserphase erwischt hatten, mutmaßte frau: „ich glaub, Du hast Dich verfahren. Das ist ne feuchte Wiese, hier gibt’s bestimmt gar kein Meer…“
Der echt heftige Wind blies jedoch jede Kritik an den Männerohren nahezu ungehört vorbei, so ging es weiter den Deich entlang. Meerwasser war zwar weit und breit nicht zu entdecken, die in Richtung Horizont erkennbare und im Naturpark Wattenmeer ganz sicher falsch platzierte Bohrplattform nährte jedoch die Hoffnung, dass sich das Meer nur mal eben eine Auszeit nahm und mit etwas Glück wieder zurück finden würde.
Der kleine Ort, der hier augenscheinlich nur aus ein paar Touristenlokalen am Strand, Ferienwohnungen und Stellplätzen für Camper besteht, war schnell durchwandert und für nicht allzu interessant befunden.
Der Rest des Nachmittages wurde dann unterschiedlich genutzt; Frau und Mann wechselten zwischen dem gemütlichen Bier vor dem Fahrzeug zur Zeitungslektüre und der Verbesserung der Rutschsicherung auf der Hunderampe. Die Wächterin des Heimes auf Rädern erlag leider einem Missverständnis, was die Größe und Eigentumsverhältnisse hier anging und machte den schräg gegenüber angekommenen Kindern lautstark klar, dass man nicht einfach so in unserem Garten wohnen kann.
Die folgenden Blicke und Worte der beteiligten Erwachsenen entbehrten etwas der wünschenswerten Freundlichkeit…
Dass etwas später am Nachmittag direkt hinter dem Gebüsch neben unserer Hütte eine Radlerfamilie mit ihren beiden kleinen Kindern ihr Zelt aufschlug und kurz darauf der entnervte Vater einem der Kinder einen lautstarken bis hysterischen Vortrag über irgendwelche leeren Flaschen und Ordnung hielt, gab uns die Bestätigung, Freistehen weiter als unser bevorzugtes Urlaubsmodell zu verfolgen…
Nach der verregneten aber überraschend ruhigen (dem Nachbarn war wohl irgendwann die Luft ausgegangen…) Nacht machten wir uns wieder auf den Weg, nach der Nordsee zu suchen. Dazu begaben wir uns trotz stürmischer Böen auf den 2,2 km ins Meer ragenden Trischendamm.
Der Damm wurde in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts errichtet, um das hier dem Meer „entrissene“ Land vor der Rückeroberung zu bewahren. So kann man mittlerweile auf der Südseite des Dammes schön erkennen, wie sich das so genannte Vorland langsam Teile des Wattes erobert und mit den geschützten Salzwiesen befestigt hat. Hier brüten und leben viele geschützte Vogelarten, weshalb das Betreten mit zwei oder vier Beinen vernünftigerweise verboten ist.
An der Spitze des Dammes angekommen konnten wir auch etwas Meer erkennen, das aber immer noch (eigentlich schon wieder, was wir aber verpasst hatten) in der Ebbe verharrte und sich ins Watt duckte.
Nach einem Kopschütteln über die unverständliche Idee, hier im Watt mit einer riesigen Plattform Öl zu fördern, machten wir uns wieder auf den Rückweg, nun deutlich beschleunigt durch den kräftigen Rückenwind.
Während der Vorbereitungen für die Weiterfahrt ereignete sich eines der Highlights dieser Fahrt. Ein Herr, der gegenüber mit seiner Frau im Wohnwagen und VW-Bus genächtigt hatte kam auf Besuch in unseren Vorgarten. Die Befürchtung, auch er wäre nicht einverstanden mit dem Gebaren unseres Kettenhundes ohne Kette, zerstreute sich schnell.
Nachdem wir die Frage, ob wir auch gerne mal frei stünden, mit voller Überzeugung bejaht hatten, folgte ein fast schon verschwörerisch klingendes „dann sag ich Dir jetzt mal was“, mit einer Wegbeschreibung zu einem Parkplatz in der Nähe von Meldorf, etwa 30 Kilometer entfernt.
Der angeblich wenig frequentierte Platz liege direkt am Deich, sich anständig benehmende Freisteher würden geduldet, habe er selbst immer wieder ausprobiert. Ein Foto auf dem Handy der Nachbarin unterstrich die versprochene Idylle.
So entschieden wir also, uns diesen Tipp zumindest mal anzusehen.
Nach Dank und Verabschiedung und selbstverständlich Begleichung der Übernachtungsgebühr (die mit 11,80€ sehr moderat ausfiel) verließen wir also den Campingplatz und Friedrichskoog gen Norden.
Dass die Kinder von schräg gegenüber und vor allem deren Eltern ein Freudenfest veranstalteten, ist übrigens eine unhaltbare Vermutung.
Erleichterung über unseren Standortwechsel war aber sicher beidseitig vorhanden ?
Nach einer knappen Stunde inkl. Vorratsbeschaffung im Supermarkt (ein freundlich dahingeworfenes „schönen Sonntag noch“ verdeutlichte den Verlust des Zeitgefühls durch totale Erholung und den Vorteil eines Touristenzentrums. Keiner von uns hatte daran gedacht, dass Sonntag sein könnte und man evtl. vorher einkaufen sollte…) erreichten wir die empfohlene Stelle.
Und tatsächlich: uns wurde nicht zuviel versprochen!
Ein etwa 4.000 Quadratmeter großer Parkplatz mit leidlich gepflegten Grasflächen, bis direkt an den Deich reichend und mit einem einzigen Wohnmobil belegt.
Die einzelnen Parkreihen sind durch Büsche getrennt, was nicht nur ausreichend Sichtschutz zu Nachbarn und Spaziergängern und -fahrern bietet, sondern auch den heftig über den Deich zu uns runter pfeifenden Seewind etwas abhalten konnte.
Sofort fühlten wir uns alle sehr wohl mit diesem Plätzchen, parkten unser kleines Häuschen und machten uns erstmal auf Erkundungstour.
Wirklich schade, dass unser Campingplatznachbar weder Name noch irgendwelche Kontaktdaten mit aufgedrängt hat, ein riesengroßer Dank wäre ihm sicher gewesen.
Der Tidenkalender am Infostand verriet, dass wir kurz nach Höchststand eingetroffen waren, was uns vorfreudig auf den Deich steigen lies.
Und tatsächlich: der Navigator hatte nicht versagt! Da lag, oder besser brodelte sie direkt vor unseren Nasen:
Aufgrund der ordentlichen Wellen und der felsigen Deichbefestigung erhielt der Hund Badeverbot, aber Herrchen musste doch kurz in die Fluten hüpfen. Die vom Wind aufgewühlte See war doch ordentlich abgekühlt, was die Badezeit des Fröstelnden deutlich verkürzte.
Geschützt vom Wind hinter zwei Strandkörben kauernd und rasch durch die nun immer mehr werdenden Sonnenstrahlen wieder aufgewärmt, kam zum ersten Mal der Gedanke auf, wir könnten hier doch auch mal mehr als eine Nacht verbringen.
Ein Blick in den Wetterberich unterstützte diese Idee, war doch für das kommende Wochenende eine deutliche Verschlechterung des Wetters inklusive Sturm und Starkregen vorhergesagt.
So beschloss der Reiserat also, den Meteorologen zu vertrauen und das nicht so prickelnde Wochenende lieber in der gemauerten Wohnung in der Großstadt zu verbringen, als eventuell aus dem rollenden ein schwimmendes Heim zu machen.
Diese Entscheidung bescherte uns drei wunderschöne Nächte und Tage, die relativ zügig zusammengefasst werden können:
Sonne, nachlassender Wind, menschenleerer Stellplatz und Strand, Spaziergänge, Schwimmen im Meer und Wandern im Matt, Sonnenuntergänge wie aus dem Bilderbuch, Kommen und Gehen der Wassermassen und noch vieles mehr an traumhaften Momenten, die nicht in Worte zu fassen sind.
Deshalb lassen wir mal an dieser Stelle die Bilder sprechen…
Die Heimfahrt bewies uns einerseits, dass wir tatsächlich über 400 Kilometer am Stück zurücklegen können (auch eine neue Erfahrung in unserem Wohnmobildasein, muss nicht allzu oft wiederholt werden…) und andererseits, dass die Entscheidung zur Heimfahrt für uns die richtige war. Das sintflutartig daherkommende Wochenende hätte uns sicherlich draußen am Deich noch weniger Freude gemacht als in der Berliner Wohnung.
Und schließlich ist Freude am Leben und Reisen das Ziel unserer Ausflüge – und auch der Tage dazwischen
Weil diese Reise doch etwas kürzer ausfiel, als ursprünglich gedacht, sind wir schon wieder unterwegs.
Wo genau, lest ihr demnächst hier…
Bin gespannt, wo es hingeht.
Herrliche Bilder! Die Sonnenuntergänge und Wolkenformationen hätten mich ganz bestimmt ebenfalls zur Kamera greifen lassen.
Auch literarisch ein Hochgenuss! Man empfand persönlich die echte Erholung mit einem Wohnmobil und möchte gleich einsteigen und miterleben. Die Fotos einfach Klasse, weiter so !!!
Vielen Dank!
Es freut uns sehr, wenn unsere Berichte ein wenig Freude bereiten.